Um 1970 dominierte wie fast überall in der westlichen Welt ein autoritäres Kleinklima, das vor allem Schüler*innen und Lehrlinge unterdrückte und jegliche demokratische Regung unterbot. Hier gedieh naturgemäß Widerstand. Nicht nur in den USA, in Frankreich oder in Deutschland standen vor allem junge Menschen auf um gegen Kriege und für neue Lebensformen zu protestieren, auch in Knittelfeld formierten sich Schüler*innen, Lehrlinge und Student*innen inspiriert durch internationale popkulturelle und intellektuelle Entwicklungen und beschlossen ein Festival zu planen, das nicht nur die Popkultur nach Knittelfeld bringen sollte, sondern Pop als zentrales Medium einer gesellschaftlichen und demokratischen Transformation verstand. Ziel dabei war das Aufbrechen verkrusteter Strukturen in allen Lebenswelten insbesondere aber auch im Privatbereich.
53 Jahre später riefen David Reumüller und ich nun erneut zum Dialog zwischen Stadt, Bewohner*innen, Besucher*innen und Künstler*innen auf. Dialog aber auch mit jenen, die in Knittelfeld geboren wurden, nun aber national und international interessante Karrieren leben.
Eine wichtige Rolle dabei spielten Konzerte: Heimische Größen wie Voodoo Jürgens, Esrap, Attwenger oder Bubul standen auf der Bühne des Knittelfelder Kulturhauses und Fuzzman, der soeben eine Hymne für die Wiener Festwochen komponiert hatte, performte mit dem Kärntner Chor Knittelfeld und dem Schüler*innenchor des Gymnasiums Knittelfeld. Verschiedenste musikalische Genres, von Jazz (Berndt Luef) über Heavy Metal (Rottën), Techno (Monique Fessl, Elektro Guzzi), Ambient (Voyage Futur) oder internationale Stars wie John Maus (USA) konnten im Rahmen von COMMUNICATION24 erlebt werden.
Dialog bedeutet auch, dass das Publikum durch ihre Begegnung mit der Stadt animiert wurde, Statements abzugeben und Aussagen zu treffen, die aufgenommen und sichtbar gemacht wurden. COMMUNICATION24 signalisierte damit Offenheit für Innovation, Kritik und Reflexion. Ein „Knittelfelder Freundschaftsbuch“ öffnete seine Seiten für alle Freund*innen von Knittelfeld und Geschichten, Eindrücke und Fakten rund um die Stadt wurden gesammelt und präsentiert. In einer „Hall of Fame der Alltagsheldinnen und Alltagshelden“ wurde die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Bevölkerung der Stadt gewürdigt. Diese Ausstellung fokussierte auf Menschen verschiedenster Herkunft, zeigte die Vielfalt der in der Stadt lebenden Nationen und holte die Aktivitäten von Personen vor den Vorhang, die zumeist medial und gesellschaftlich zu wenig Würdigung erfahren, weil sie in der Regel fleißig, motiviert und unauffällig ihre Arbeit verrichten. Präsentiert wurden sie in einer installativen Ausstellung des Fotografen Sandro Zangrando.
Ausgehend von der TV-Serie „Willkommen Österreich“, wurde ein Format „Willkommen Knittelfeld“ konzipiert. Live im Kulturhaus Knittelfeld stellten Christoph Grissemann und Dirk Stermann interessante Persönlichkeiten aus Knittelfeld vor und interviewten sie.
Als weiterer Höhepunkt wurde in einer Kooperation mit dem „Steirischen Herbst“ das Grazer „Theater im Bahnhof“ unter dem Titel „Spiel mir das Lied von Knittelfeld oder die Pubertät der FPÖ" ein Reenactment dieses historischen Ereignisses entwickelt und performt.
Als einen wesentlichen künstlerischen Schwerpunkt bot sich die Sound- und Lichtkunst an. Der Knittelfelder Peter Kutin, Komponist zeitgenössischer Musik, Ars Electronica Music Prix Preisträger 2019, wurde zu einem installativen Konzert eingeladen und die Grazer Projektionskünstler*innen OchoResotto bespielten bei COMUNICATION24 einige Fassaden der Innenstadt.
Die bekannte Soundkünstlerin Monique Fessel hielt einen DJ Workshop für Jugendliche ab, in dem diese sich künstlerische Praktiken, Methoden und Zugänge zum eigenen kreativen Umgang mit Technologie und Kunst aneignen konnten. Die beiden bildenden Künstler Gernot Passath und Georg Dinstl konzipierten einen Siebdruckworkshop mit Jugendlichen, der ihnen die Möglichkeit gab, sich spielerisch-künstlerisch mit dem Medium Grafik und Druckkunst auseinanderzusetzen.
Resümierend darf ich hier Martin Gasser (Kleine Zeitung vom 29.10.2024) zitieren, der nicht nur auf das Wechselspiel zwischen „geborenen“ Knittelfeldern, die zeigten, was sie „in der weiten Welt so alles treiben und Künstlerinnen und Künstler, die Projekte mit Bewohnern realisierten“ hinwies, sondern vor allem auf die „heterogene Zusammensetzung des Publikums“. Gasser registrierte dabei eine „Durchmischung, die man in den kulturellen Blasen der Städte schon lange vermisst und noch einmal eindrucksvoll dokumentiert, dass das Land zum spannenderen Kunstort avanciert ist. Die Kunst braucht Orte wie Knittelfeld und Knittelfeld braucht die Kunst.“
Team:
Konzept / Kuratoren: David Reumüller und Karl Stocker
Organisation: Sabine Aigner und das Team der Stadtgemeinde Knittelfeld mit Bürgermeister Harald Bergmann
Projektkurator*innen: Birgit Bachler, Sigrid Bürstmayr, Heidrun Primas, Sandro Zangrando
Grafikdesign: Tomislav Bobinec
Media: Selina Gödl, Helena Melbinger
Support: Lisa Obermayer, Alexandra Schwarzenbacher, Max Seitweger, Alex Scheikl
Fotos:
Martina König 2, 3, 4, 6, 14
Helena Melbinger 5
OchoResotto 11, 12
Robert Roschmann 1, 9,
Karl Stocker 7, 8, 9, 10, 13